Pannenhilfe afrikanisch

Das eiskalte Bier schmeckt hervorragend und der Service ist erstklassig. Ich meine jetzt nicht den Service des Restaurants im Hotel Bomen in Isiolo (obwohl der nichts zu wünschen übrig läßt und das Essen auch ganz okay ist). Nein, ich meine den Extra-Service, der hier geboten wird und sich gerade vor uns abspielt: Zur Vorspeise wird ein Schlauch in den Reifen gezogen, beim Steak werden die neuen Stoßdämpfer gebracht und mit dem Kaffee sind sie auch schon eingebaut. Ich bin schwer beeindruckt und fühle mich wechselweise ein wenig kolonial und dann wieder wie in einem Rallye-Service-Camp (oder wie auch immer das heißt). Pannenhilfe afrikanisch – äußerst effektiv, schnell und kundenorientiert. Bernds Miene hellt sich auch wieder auf. Die letzten zwei Stunden fand er nicht so lustig. Die hinteren Stoßdämper komplett hinüber, und das auf einer Scheißpiste. Wir krochen vor uns hin und rechts und links hielten die barfüßigen Kinder locker Schritt und spulten ihr „give-me-Programm“ ab. Naja. Jetzt ist alles wieder heil. Und wir sind in unserem Entschluß bestärkt, erwähnte äthiopischen Pisten in Zukunft wirklich auszulassen. Denn die Stoßdämpfer waren nagelneu bei unserer Losfahrt. Oder liegt es gar nicht an den Pisten und OME hält vielleicht nicht mehr, was es verspricht? Was die Reifen angeht, die sind auch hinüber, lange machen die nicht mehr. Aber ab hier sind wir ja erstmal auf Asphalt und in Nairobi wird es neue geben.

Elefanten!

Es ist 17 Uhr und gleich kommen sie. Wurde uns gesagt. Die Elefanten. Wir sind mit Leni unterwegs im Nationalpark Marsabit. Leni ist Massai, Ranger, würde eigentlich gerne Rechtsanwalt werden, hat sein Studium aber unterbrechen müssen, weil ihm die Kohle ausging. Jetzt arbeitet er für 70 Dollar im Monat als Soldat und hat immerhin den angenehmen Job, sich als Ranger im Nationalpark um die Touristen kümmern zu können. Sein Studium will er trotzdem unbedingt fortsetzen (und ich schätze, er schafft das auch). Leni hat uns von unserem wirklich erstklassigen Campsite am Lake Paradise runter zum See geführt, er will uns näher zu den Elefanten bringen, die hier abends immer an die Tränke kommen. Wir sind super aufgeregt und bis die Herde anrückt, erzählt er uns allerhand über die Tiere und Pflanzen im Park. Und ein bisschen über sich. Dass er zum Beispiel 3 Tage lang ohne Essen und Trinken laufen kann, 60 km täglich und zur Not mit mir auf dem Rücken. Ich glaube, es ist keine Aufschneiderei, Massai sind wirklich hart. Mit der Unterhaltung vergeht die Zeit und plötzlich trompetet es aus dem Wald und ein Baum bricht. Es klingt noch nach etwas weiter weg, aber sie kommen. Wir gehen gegen den Wind näher ans Wasser und postieren uns da, warten. Und dann zeigen alle ganz aufgeregt auf den Wald, nur ich sehe erst mal nichts, bis Bernd mir genau die Richtung zeigt: Da sind sie. Am Waldrand. Eine kleine Herde von vielleicht 15 Elefanten, Muttertiere und kleine. Sie stehen da ohne Deckung und wissen nicht recht, ob sie weiter wollen. Ein Tier wagt sich vor, um die Lage zu checken. Die anderen warten. Kommen vorsichtig nach, drehen wieder um, rücken zusammen, als ob sie diskutieren, ob wir eine Gefahr darstellen oder nicht. Schließlich und endlich kommen alle langsam ans Wasser, wälzen sich im Schlamm, tauchen ihre Rüssel rein und tanken auf. 210 Liter schafft so ein Elefant beim Trinken. Wir sind total gebannt. So etwas kennt man nur aus dem Fernsehen und wir sind ganz dicht dran, mittendrin. Die ganze Zeit über auf der leider nicht vermeidbaren steinigen Ruckelpiste von Kenias Grenze hierher haben wir uns getröstet: Heute abend sehen wir Elefanten. Aber so ganz richtig fest dran geglaubt haben wir nicht. Es ist ja schließlich kein Zoo, wo wir hinfahren, dachte ich, da gibt es keine Garantie. Und dann kommen wir in diesen sagenhaften kleinen Nationalpark jenseits der Touristenströme (hier in den wilden Norden Kenias trauen sich nämlich nur wenige hin) und schlagen unser Camp mit Seeblick auf und gehen ein paar Schritte und da kommen sie tatsächlich angestapft. Unglaublich. Ich glaube, keiner der folgenden Parks wird diese Atmosphäre toppen können, aber vielleicht täusche ich mich ja auch, so wie ich mich heute im Vorhinein getäuscht habe. Am niedlichsten war natürlich der ganz junge Babyelefant. Wie er da mit seinem Babyrüssel tüchtig prustete… Hier könnte man gut länger Ferien machen. Nachts dann campen mit Seeblick, Lagerfeuer und zum Teil undefinierbaren Geräuschen aus dem Wald. Einen Löwen soll es hier auch geben, aber das habe ich tapfer ignoriert, als ich mal raus musste. Nur die Puffottern, vor denen habe ich Schiss und darum bin ich nachts immer mit einer Lampe unterwegs, um zu gucken, wo ich hintrete. Die faulen Biester hauen ja nicht ab, sondern warten, dass man auf sie drauftritt, damit sie dann zuschlagen können.
Kurz zur Strecke davor: der Grenzübertritt in Moyale hat alle Rekorde geschlagen, in 45 Minuten haben wir beide Seiten passiert und dann den einzig möglichen Campplatz des Ortes wahrgenommen. Morgens um halb 9 wollten wir dann los. Plötzlich tobte im verschlafenen Grenzort das Leben. Etliche Trucks mit Leuten drauf stauten sich an der Ausfahrtsschranke, ein Gewimmel ohne Ende – der Konvoi nach Masarbit. Die Straße von Moyale nach Süden Richtung Nairobi gilt als unsicher. Immer wieder gibt es hier Überfälle auf Fahrzeuge. Darum fahren hier die LKWs unter Militärschutz. Uns wird von den Offiziellen gesagt, dass wir ohne Konvoi fahren können, da wir mit unseren Autos viel schneller sind. Wir fahren alleine – die Gefahr, Opfer eines Angriffs zu werden, ist so geringer, da der Konvoi immer zu festen Zeiten fährt und sich praktisch selbst auf dem Tablett serviert. Die Piste ist uns als äußerst schlecht und steinig beschrieben worden. Wir machen uns auf einen weiteren reifenmordenden Tag gefasst und sind dann angenehm überrascht. Nachdem wir in Äthiopien waren, kann uns nichts mehr schrecken, statt eines Tages brauchen wir nur ein paar Stunden bis Masarbit und zu den Elefanten. Dort machen wir dann die verlegte Mittagspause, unnötige Stops sollte man auf der Strecke nicht einlegen. Keine Vorfälle unterwegs und ein toller Tagesabschluß in einer bergigen Oase in der Wüste, am Lake Paradise, der seinen Namen wirklich verdient.

Von äthiopischen Straßen und Pisten

Die einzige durchgehende Asphaltstraße Äthiopiens führt von der Nordgrenze zur Südgrenze. Wir hatten bisher nur ein Stück davon kennengelernt, da wir den Abstecher auf die gnadenlosen Piste nach Lalibela gemacht haben. Jetzt fahren wir von Addis Abeba aus weiter auf dieser gut ausgebauten Straße – eine angenehme Abwechslung für den Körper und die Reifen, nicht allerdings für die Nerven. Die Äthiopier haben wirklich einen Schuss, was das Verkehrsverhalten betrifft. Klingt nicht nett, ist aber wirklich so. Noch nie war ich als Beifahrerin so gestresst. Das liegt daran, dass der Nissan wegen Bernds Sonderlenkrad den Hupknopf über dem Handschuhfach hat. Meine Aufgabe ist es also, immer rechtzeitig Laut zu geben. Ich hasse hupen, aber hier führt kein Weg dran vorbei, wegen der ganzen Selbstmordkandidaten. Hätte nie gedacht, dass ich mir mal ein superlautes LKW-Horn wünschen würde. Da ich nicht wie ein Blödmann dauernd hupen will, passe ich hochkonzentriert mit dem Finger am Knopf auf und habe einen ziemlich hohen Adrenalinspiegel. Der steigt noch höher, als uns ein durchgeknallter Traktorfahrer umbringen will. Also, vielleicht hat er es nicht ganz so weit geplant, vielleicht wollte er auch nur unsere Karre platt machen. Er schert vorsätzlich nach links aus und will uns von der Straße drängen. Nicht, weil er abbiegen will, sondern zum Spaß. Anschließend lacht er sich halb tot. Super Spaß. Ein Sonderfall. Er gehört in die Psychiatrie. Die anderen stressigen Situationen entstehen nicht mit Autofahrern, sondern mit Fußgängern, Eselskarren und Fahrradfahrern. Obwohl die Straße stark von PKWs und LKWs benutzt wird und dort reichlich schnell gefahren wird, verhalten sich die Menschen so, als ob es im ganzen Land nur zehn Autos gäbe, die mit 20 Km/h durch die Gegend tuckern. Die Verkehrsentwicklung hat sich noch nicht im Bewusstsein verankert. Also aufpassen und immer mit allem rechnen. Nach ein paar Stunden schon kommen wir an unserem Camp an. Wunderschön am Longano-See gelegen. Hier kann man sogar baden, da das Wasser salzhaltig und darum frei von Bilharziose ist. Als abends die letzten Sonntags-Badegäste aus Addis und Umgebung abgezogen sind, haben wir den ganzen Platz für uns. Mit orangefarbigem Vollmond über dem Wasser, Grillenzirpen und einer rauschenden Brandung wie am Meer. Und vielen vielen verschiedenen Vögeln, die uns morgens wecken.
Von dort aus verlassen wir den Asphalt um uns in den angekündigten Bale-Nationalpark mit der höchsten Allwetterstraße Afrikas zu begeben. Vorweg gesagt: wir fahren das erste Mal auf unserer Tour einen Weg wieder zurück. Nicht, weil er ab einem bestimmten Punkt nicht mehr passierbar wäre, aber diese Piste muss man sich nicht antun, wenn man nicht vier neue Ersatzräder dabei hat, die ganz schnell alt aussehen sollen. Wieder dieses endlose umgepflügte spitze Kopfsteinpflaster und ewiger Staub. Wir haben es satt und die Reifen auch. Sie sind reichlich mitgenommen und ich bin schon Spezialistin im schlauchlosen Flicken. Wir fahren also den einen Tag hoch und campen dort und fahren am nächsten Tag zurück, statt uns das Ganze noch zwei bis drei weitere Tage anzutun. Im nächsten Jahr lassen wir diese Piste aus, genau wie die nach Lalibela. Zu den Felsenkirchen werden wir von Addis Abeba aus fliegen und dort auch übernachten, und die Berge scheiden aus – es sei denn, alle Mitfahrer sind masochistisch veranlagt. Schön ist es dort oben schon. Die Berge sind sehr beeindruckend. Und wir haben tatsächlich den Simien-Wolf bzw. Fuchs gesehen. Sehr nah am Lager und gar nicht so sehr scheu. Nachts rutsche ich auf Glatteis aus (wir haben auf die Leiter für das Dachzelt aus Gewichtsgründen verzichtet und ich klettere immer über das Reserverad. Das war diesmal mit einer dünnen Eisschicht überzogen – eigentlich hatte ich mal gedacht, dass wir die warmen Sachen südlich von Ägypten wegpacken könnten). Am nächsten Morgen also wieder zurück zum See und dann am nächsten Tag über die normale Straße nach Moyale. Die Strecke hat uns alle erstaunt. Wir haben sie uns eher eintönig vorgestellt, aber sie führt durch eine äußerst abwechslungsreiche Berglandschaft. Mal sieht es sehr klassisch tropisch aus, mit Tabakpfanzen und üppigem grünen und blühendem Bewuchs, mal wie im australischen Outback. Die Termitenhügel hier sind allerdings mehrere Meter hoch und sehen aus wie fast vollendete Skulpturen von Rodin. Wunderschön. Und ganz ohne Platten. Statt für Masochisten was für entspannte Genießer. (Fortsetzung folgt)