Simien Mountains

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Morgens machen wir uns auf in die Simien Mountains. Die Piste von Gonder nach Norden eröffnet schon bald spektakuläre Ausblicke in tiefe Täler. Eine grandiose Berglandschaft, die immer bizarrer wird. Unser Ziel ist der Simien-Nationalpark, das „Dach Afrikas“. Doch bevor wir dort reindürfen, heißt es Tickets lösen in Debark. Das Park Office will uns zwei Scouts (mit Kalaschnikovs bewaffnet) und einen Führer aufdrücken. Wir haben gar nicht so viele Sitze in unseren Autos und würden ohnehin viel lieber alleine fahren. Aber die Gesetze müssen befolgt werden. Immerhin gibt es den Kompromiss, dass einer der Scouts erst später zusteigt. Im Nationalpark wechseln sich weite Hochplateaus mit steil abfallenden Schluchten ab. Die Bergwelt ist einzigartig und nicht umsonst von der UNESCO zum Welterbe erklärt. Viele der Gipfel erreichen 4000 Meter, der höchste Berg Äthiopiens ragt mit 4620 m heraus.
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Hier leben Mantelpaviane, Simien-Füchse, der Äthiopische Steinbock, Hyänen, Schakale und viele Vogelarten. Und hier leben natürlich auch Menschen. Bergbauern, die unter härtesten Bedingungen ihr Leben fristen. Die Kinder sind völlig zerlumpt und laufen größtenteils barfuss herum. Wenn sie unsere Autos hören, kommen alle angerannt und bieten uns selbstgebastelte traditionelle Hüte aus Gras zum Verkauf. Eine der wenigen Möglichkeiten, an etwas Bargeld zu kommen. Ansonsten leben die Bauern als Selbstversorger und es ist für uns kaum vorstellbar, wie sie in dieser kargen Welt überleben können. Etwa 50000 Menschen leben im Nationalpark. Angeblich gibt es Pläne, sie umzusiedeln. Um die Natur zu schützen. Ich finde das sehr zwiespältig. Sicher führt die Bewirtschaftung (Rinder- und Ziegenhaltung) zusammen mit der Abholzung zu Erosion. Trotzdem frage ich mich, mit welchem Recht die Welt daher kommt und ihr Erbe schützen will und dabei nicht an die Menschen denkt, die seit Jahrhunderten hier leben. Praktisch kann ich mir eine solche Umsiedelung nicht vorstellen. Das Hochland ist ohnehin schon bewirtschaftet, wo immer es geht. Sollen die Bauern, die noch nicht einmal schreiben können und nichts gelernt haben, außer ihren Hof zu bewirtschaften, etwa in die Stadt?
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Unser Camp liegt bei etwa 3200 Metern und ich mache mir etwas Sorgen, ob alle mit der Höhe zurecht kommen, doch keiner hat Probleme damit. Abends unterhalte ich mich länger mit unserem Führer. Er kommt aus Debark und arbeitet seit 10 Jahren als Touristenführer, die letzten 5 in Addis Abeba. In der Stadt hat er es nicht ausgehalten, er fand das Gewimmel unerträglich und hat die familiäre Sicherheit vermisst, die ihm die Bergwelt bietet. Seit letztem Jahr ist er wieder hier und spart für seine Hochzeit. 15000 bis 20000 Birr muss er aufbringen, dafür muss er ein paar Jahre sparen, wenn er wirklich sparsam lebt. Seine Freundin und er treffen sich heimlich, weil ihre Eltern ihn nicht standesgemäß finden. Doch er hofft, dass er sie überzeugen kann, wenn er fleißig arbeitet.
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Die Scouts sitzen mit ihren Gewehren auf einer Bank und schauen in die Ferne. Ich versuche möglichst dezent, ein Foto zu machen. Als sie es merken, stehen sie auf und posieren breitwilligst mit ihren Gewehren. Noch immer ist eine Waffe der liebste Schmuck der Männer hier. Nachdem sie gezeigt haben, wie gerne sie fotografiert werden, überlasse ich Rudi das Feld (und frage mich, was passiert, wenn das Gewehr in dieser Haltung versehentlich losgeht).
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Morgens machen wir uns mit unserem Führer zu einer kleinen Wanderung auf. Neben den phantastischen, immer wieder wechselnden Panoramen dürfen wir auch eine Großfamilie von Mantelpavianen bewundern, die völlig ungerührt weiter ihr Gras ernten. Ich könnte hier Tage verbringen.
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Gallabat – Gonder

Bernd und ich stehen ganz früh auf, um nach Gonder vorzufahren. Wir müssen dort die Lalibela-Flüge bestätigen lassen und wollen schon mal Geld für alle tauschen, damit wir Zeit sparen und wir alle Nachmittags noch weiter in die Simien Mountains fahren können. Der Grenzübertritt aus dem Sudan nach Äthiopien geht schnell und reibungslos. Wir brauchen auf beiden Seiten zusammen nur eine Dreiviertelstunde. Die bürokratischen Nervereien dürften ab jetzt bis Namibia ein Ende haben. Mit Grenzübertritt erwartet uns eine völlig andere Welt.
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Die Dörfer sehen anders aus, Rundhütten mit Stroh gedeckt oder kleine Bretterbuden säumen den Weg. Überall winken die Menschen uns zu.
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Wir fahren auf einer ruckeligen Piste ins äthiopische Hochland in die Kaiserstadt Gondar. Dort klären wir die Flüge und gehen zur Bank und dann geht das Warten los. Zwei Stunden später als gedacht kommen die anderen am Gemp an, Rudi war so hilfsbereit, einen Schweizer abzuschleppen, dessen Wasserpumpe kaputtgegangen war. Ein bisschen ärgert er sich im Nachhinein über seine Freundlichkeit, weil er später erfuhr, dass der Schweizer in einer kleinen Gruppe unterwegs war und statt sich gegenseitig zu helfen, müssen dann andere ran. Durch die Aktion ist es jetzt so spät geworden, dass wir nicht mehr weiter in die Berge fahren wollen. Wir quartieren uns stattdessen im Goha-Hotel ein. Das staatliche Hotel liegt auf einem Hügel über der Stadt und bietet eine prächtige Aussicht von der Terasse. Frisch geduscht und kaum wiederzuerkennen lassen wir uns abends alle vom Buffet verführen und die meisten probieren das erste Mal Injera. Das äthiopische Nationalgericht ist dünnes gesäuertes Fladenbrot, zu dem vegetarische Saucen und Fleisch gereicht werden. Normalerweise isst man als Gruppe von einer gemeinsamen Platte am Tisch, im Hotel geht es etwas touristischer zu und jeder bekommt einen Teller und gesittete Röllchen aus dem Fladenbrot. Schmeckt aber genauso gut.
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Wadi Halfa – Gallabat

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„Wegen diesem Bild habe ich die Reise gebucht“ sagt Rudi und schießt das Foto. Das Motiv ist das Gleiche wie in meinem Film, den ich vor zwei Jahren gedreht habe. Autos verschwinden in der spiegelnden Weite. Fernweh. Wir navigieren quer durch die Wüste mit den Pyramiden von Karima als Ziel. Es ist sehr windig und extrem staubig, der Sand ist fein wie Puder und dringt durch jede Ritze. Reinelde sitzt vermummt auf dem Beifahrersitz und ist nicht sehr amüsiert.
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Wenn man sich die Nase putzt, kommt Dreck ohne Ende raus. Die Wüste im Norden des Sudan ist nicht sehr freundlich, es ist ungleich anstrengender, hier unterwegs zu sein, im Vergleich zu Ägypten oder Tunesien. Aber es ist schön. Es kommt langsam ein richtiges Expeditions-Gefühl auf.
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Irgendwann treffen wir unerwartet auf Asphalt. Die Straßenbauaktivitäten im Sudan sind erstaunlich. Wahrscheinlich mit ein Grund dafür, dass Wadi Halfa oben im Norden so viel entwickelter ist, als zuvor.
Über Satellitentelefon erfahren wir von Roby, dass die Ersatzteile im Anflug sind. Die Mechaniker haben inzwischen auch den Grund des Schadens herausgefunden. Als Roby nach der Gilftour in Dakhla sein Auto schmieren ließ, hat man ihm dort seinen Öldruckschalter heimlich gegen einen defekten ausgetauscht und diesen auch noch schräg eingebaut. Durch das Leck lief das Öl aus. Er ist stocksauer und wird in Zukunft selbst in jede schmierige Grube steigen. Aber er ist guter Dinge, dass sein Toyota zum nächsten Fährtermin fertig ist.
Nach unserem zweiten Wüstencamp geht es über eine wahre Mondlandschaft und steinige Pisten weiter, bis irgendwann wieder der Sand anfängt. Und dann erheben sich in der Ferne die spitzen Dreiecke aus dem Sand, die Pyramiden von Karima. Sie stehen neben der Stadt, ohne Zaun und ohne Ticketoffice. Wir fühlen uns wie in einer Zeitreise. Reisen im Sudan ist gerade darum so faszinierend, weil das Land größtenteils so untouristisch ist. Wo gibt es das noch?
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Nach einer Fährüberfahrt über den Nil kommen wir zu den Pyramiden von Meroe, der Royal City. Ein recht großes Areal, das mit deutscher Hilfe ausgegraben wurde.
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Hier ist die einzige Stelle, wo wir im Land Spuren eines Tourismus begegnen, mit den üblichen Begleiterscheinungen: Kamelreiten wird angeboten, Souvenirverkäufer breiten ihre Schätze vor dem Eingang aus. Und dennoch ist es anders, als beispielsweise an den alten Stätten in Ägypten. Die Einheimischen möchten natürlich durch den Tourismus Geld verdienen, sie zeigen aber gleichzeitig immer ihre ehrliche Freude, dass überhaupt Menschen aus anderen Ländern zu ihnen kommen und sind unglaublich freundlich und gleichzeitig sehr zurückhaltend.
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Doris hat sich eine Grippe eingefangen, darum ändern wir unsere Route und fahren nicht auf Rüttelpisten weiter, sondern auf Asphalt nach Khartoum. Sie soll sich mal ordentlich ausschlafen können. Wir bestaunen den Zusammenfluss des Weißen und des Blauen Nil, gönnen uns einen frischen Obstsaft am Nil und campen auf dem National Camping außerhalb der Stadt. Wir sind erstaunt, wie ruhig und modern sich Khartoum zeigt und sind wieder beeindruckt von der Freundlichkeit, mit der wir hier empfangen werden.
Am nächsten Tag ist Doris wieder halbwegs fit und wir machen uns auf Richtung äthiopischer Grenze. Die Fahrerei ist ziemlich anstrengend, es gibt viel Verkehr und wilde Überholmanöver zwischen Schlaglöchern und es ist unglaublich heiß, obwohl ja erst Februar ist.
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Die letzten 120 Kilometer sind dann wieder ganz entspannt auf neuem Asphalt – vor zwei Jahren war hier übelste Staubpiste. Aber wir sind auch bei der Luxusstraße alle froh, als wir kurz vor der äthiopischen Grenze Camp in einer Senke machen. Doris und ich schleppen Feuerholz heran und es wird ein sehr gemütlicher Abend am Lagerfeuer.
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auch so kann man Teewasser kochen…